Schutzraum Kirche? Schutzraum Kirche!

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Moderatorin Jacqueline Boysen und Wolf Krötke beim Erzählcafé am 13. April

….das zweite Erzählcafé in der Zionskirche am Sonntag, dem 13. April, stand ganz im Zeichen seiner Überschrift. Die Journalistin Dr. Jacqueline Boysen (Evangelischen Akademie zu Berlin) traf sich zum Gespräch mit der Malerin Katrin Hattenhauer, dem ehemaligen Professor Dr. Dr. Wolf Krötke (seinen doppelten Doktor verdankt er über Umwege übrigens der Teilung Deutschlands), der Theologin Dr. Ellen Ueberschär und dem Pfarrer Peter-Michael Utasch, um die ganz individuellen Erfahrungen mit dem (Schutz-)Raum Kirche während der DDR zu erörtern.
Der kleinste gemeinsame Nenner aller Gäste: jeder von ihnen wurde wegen seiner religiös motivierten Handlungen vom SED Regime zumindest zeitweilig  als oppositionell und Regime-gefährdend angesehen und dementsprechend von Stasi und Co drangsaliert. Dabei reichte es in der DDR mitunter bereits aus, regelmäßig in die Kirche zu gehen, um als konterrevolutionärer Aktivist gewähnt zu werden.
Ellen Ueberschär  dazu am Sonntag: “Kirchlich zu sein hieß automatisch, sich von den Privilegien des normalen Lebens zu verabschieden. In der Zeit umgreifender Zwangssekularisierung war es für den DDR-Christen sehr schwierig, Raum für seinen Glauben zu finden. Studium, Beruf, etc. – bei all diesen Dingen wurden bekennenden Christen große Steine in den Weg gelegt. Eine gewisse Grundresignation hielt Einzug.”

SONY DSCDie Theologin Ellen Ueberschär nach dem Erzählcafé

Dennoch stellten die vier Redner klar heraus, dass die Kirche ihnen in der Zeit persönlicher Bedrohung durch den Staat kostbaren Schutz geboten hat. Katrin Hattenhauer beispielsweise entging einer Verhaftungswelle in Leipzig, indem sie Schutz und Versteck bei einem Pfarrers-Paar bekam. Das einzige verfügbare Matrizengerät zum Vervielfältigen von Flugblättern versteckte sie in ihrem Zimmer am theologischen Seminar Leipzigs, weil bei ihr als Theologiestudentin am Seminar eine Hausdurchsuchung angekündigt werden musste.
Prof. Dr. Dr. Wolf Krötke zu seinen Erfahrungen:

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Pfarrer Peter-Michael Utasch während des Gesprächs

Dennoch waren die Erfahrungen der Redner nicht durchweg positiv geprägt: “Ich habe in der Kirche die stärksten Verbündeten gefunden, aber auch die stärksten Gegner”, so Hattenhauer im Rückblick. Auch der Pfarrer Peter-Michael Utrasch rannte auf der Suche nach Unterstützung während des SED-Regimes vielfach gegen geschlossene Türen.
Die Angst vor einem gefährlichen Spill-Over Effekt der als staatsfeindlich betrachteten Kollegen siegte oft über besseres Wissen oder Philanthropie.
Eine Stunde lang ließen die Gäste das Publikum über Kaffee und Kuchen an ihren sehr persönlichen Erfahrungen teilhaben. In einer weiteren halben Stunde entspann sich eine wirklich sehr angeregte Diskussion zwischen den Besuchern und den Gästen über historisches, ideologisches und aktuelles. Als besonders heißes Thema kristallisierte sich dabei die Frage nach der Rolle der Kirche als Schutzraum vor zeitgemäßen Repressionen heraus. Im Lichte der digitalen Revolution, NSA-Überwachung und dergleichen versuchten wir herauszufinden, wie die Kirche kontemporär als Schutzraum dienen kann.
Eine schöne Bemerkung dazu zum Schluss von Hattenhauer: “Kirche kann vor den digitalen Bedrohungen nicht schützen. Was sie aber kann, ist den Raum zu bieten, sich zu treffen, über diese Themen zu sprechen und ihre Mitglieder gut zu informieren.”
Für diejenigen, die es nicht zum Erzählcafé geschafft haben hier noch ein paar hörbare Eindrücke zum Diskurs: Schutzraum Kirche? Schutzraum Kirche!
Dr. Ellen Ueberschaer über die Unfreiheit der Ost-Christen und deren limitierten Entscheidungsrahmen in einem von Repressionen geprägten System:
Katrin Hattenhauers starkes Statement über die Kirche als Freund und Gegner:
Hattenhauer über das Matrizengerät:
Für die mit etwas mehr Muße hier eine etwas längere Ausführung zu positiven und negativen Erfahrungen mit der Kirche in der DDR von Pfarrer Peter-Michael Utasch: